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Erfahrungsbericht eines Hilfstransports zur ukrainischen Grenze

04. 04. 2022

Unser Kollege Ronny Beyer hat sich bereiterklärt bei seinem zweiten Hilfseinsatz dabei zu sein und schrieb folgende Zeilen:

 

Der Transport von Hilfsgütern wurde dieses Mal von der Cottbuser Parkeisenbahn organisiert und durchgeführt. Vom Fußball-Landesverband wurde ein Bus mit zwei Fahrern hierfür bereitgestellt. Neben mir, saß Andreas Gittel vom Sportstättenbetrieb Cottbus im Transporter. Am Freitag, den 04.03.2022 wurden durch Oliver Nitschke die Güter am Parkbahnhof in Cottbus verladen und durch Spenden von Oliver und der Geschäftsführerin ergänzt. Transportiert wurden fast ausschließlich medizinisches Material, Nahrungsgüter und warme Sachen. Die Hilfsgüter waren vor allem für die stark umkämpfte Region um Saporischschja bestimmt. 

 

Am Samstag, den 05.03.2022 um 5 Uhr ging es dann vom Parkplatz am Cottbuser Stadion der Freundschaft mit drei LKW, fünf Transportern und einem großen PKW mit Anhänger in Richtung polnisch-ukrainische Grenze los. Die beiden größten LKW sind bereits zwei Stunden vor uns auf die Reise gegangen, um später an einem vorher bestimmten Treffpunkt wieder zusammenzutreffen. Nachdem wir aus den Erfahrungen der ersten Hilfslieferungen und den Berichten aus Polen bereits davon ausgingen, dass der Treibstoff in Polen immer knapper wird, tankten wir nochmal alle Fahrzeuge im deutsch-polnischen Grenzgebiet auf. Im Konvoi ging es dann in Richtung Grenzort Korczowa/Shehyni. Hier waren wir schon am Dienstag eingesetzt.

 

Bereits auf dem Weg dorthin, trafen wir auf enorm viele weitere Hilfskonvois aus allen europäischen Ländern. Vor allem Deutsche, Polen, Tschechen, Niederländer, Briten, Belgier, Franzosen und Österreicher. Beeindruckend war vor allem ein Transport aus zwölf Lastzügen der Firma Alfred Böhm aus Aschaffenburg mit 500 Tonnen an medizinischer Ausrüstung für die Ukraine. Mit diesem Transport erreichten wir auch am Abend fast zeitgleich unseren Sammelpunkt an der ukrainischen Grenze. Auf dem Weg dorthin, wurden wir immer wieder von der polnischen Bevölkerung herzlich begrüßt und oft wurde ich gefragt, ob wir wirklich Fußballer seien, die diese humanitäre Aufgabe an diesem Wochenende übernommen haben. Umso erstaunter waren sie als wir dieses bestätigten. Auf fast jedem Rastplatz wurden wir bei der Weiterfahrt durch die Polen spontan "beklatscht". Man winkte uns auf der Autobahn immer wieder zu oder klopfte uns an den Raststätten auf die Schultern. Nicht selten hatten einige Polen dabei auch ein Tränchen im Auge.

 

In Korczowa kamen wir dann gegen 16:30 Uhr an. Nennenswert ist die Tatsache, dass ab Krakau fast keine Tankstelle mehr Treibstoff zur Verfügung hatte. So auch in Korczowa, was einem unserer LKW Probleme bereitete. Aus mitgeführten Beständen eines anderen Transporters konnte das Problem jedoch erst einmal behoben werden. Wir gingen anschließend in Bereitstellung an einer Tankstelle im Ort. Diese hatte sich im Laufe des Wochenendes zu einer Art "Hauptquartier" für die Hilfskonvois etabliert. So trafen wir dort auf Gleichgesinnte aus ganz Europa und man tauschte sich rege aus. An der Tankstelle herrschte ein unwahrscheinliches Chaos aus Fahrzeugen, die dringend Sprit benötigten, Hilfskonvois, die auf ihre Weiterfahrt warteten und Sicherheitsleuten, die das Chaos zu verwalten versuchten.

 

Der Ort selbst befindet sich in einem völligen Ausnahmezustand. Es verging tatsächlich keine Minute, an dem nicht unzählige Einsatzfahrzeuge der Polizei, der Rettungsdienste und der Feuerwehr an uns mit Sirenengeheul vorbeirasten. Hinzu kamen Kolonnen von Militärfahrzeugen und Fahrzeuge mit Geflüchteten, teilweise verletzt und vollkommen erschöpft. Wie schon am Dienstag, war man fassungslos, dass solche Bilder in Europa überhaupt noch möglich seien.

 

Für uns hieß es nun warten. Wurde uns noch gegen 15 Uhr gesagt, dass die für uns bestimmten ukrainischen LKW vor uns am Sammelpunkt wären, fehlte von diesen nun jede Spur. Wir hatten weder kontakt, noch konnte man uns sagen, was passiert war. Stunden des Wartens vergingen. Die Fahrzeuge konnten wir bei der Kälte nur bedingt laufen lassen, da uns sonst der Kraftstoff auszugehen drohte.  Trotz der nicht optimalen Bedingungen war die Motivation unserer Truppe hoch und auch die Mitarbeiter der Tankstelle taten einiges dafür, um die Konvois bei Laune zu halten. Uns verlangte die Einstellung der Polen einiges an Respekt ab. Gegen 18 Uhr dann die Nachricht, dass ein LKW am Checkpoint in der Ukraine nicht durchkommt, da der Fahrer im wehrfähigen Alter war und die Ukraine nicht verlassen durfte. Der zweite LKW blieb weiterhin verschollen. Stunden des Verhandelns unseres Kolonnenführers, Dennis Kittel, begannen. Immer unterstützt durch eine junge Ukrainerin, die in Deutschland studierte.

 

Aber auch wir konnten viele Gespräche konnten. Unter anderem wurde ich von einer polnischen Handballmannschaft, die auf dem Weg zu einem Spiel waren (was in Anbetracht der Situation etwas unwirklich wirkte) angesprochen.  Um 20:30 Uhr kam die Anfrage eines ukrainischen Abgeordneten, ob wir bereit wären unsere Hilfsgüter in Richtung Norden in die Nähe der weißrussischen Grenze zu transportieren. Dort könnte man die dringend benötigten Medikamente und Nahrungsmittel gut gebrauchen und an ihren eigentlichen Bestimmungsort weitertransportieren. Wir entschlossen uns recht schnell, dieser Bitte nachzukommen.

 

Durch teilweise menschleere und waldreiche Gebiete ging es, immer an der ukrainischen Grenze entlang, Richtung dem vereinbarten Treffpunkt. Gegen 24 Uhr kamen wir dort an und konnten in einem abgelegenen Gehöft unserer Güter in einen Container umladen. Unsere Ansprechpersonen waren zwei Ukrainer, die alles Weitere organisierten. Bereits mehrere Stunden vorher hatten wir Kontakt zu einer jungen Ukrainerin aus Cottbus, die uns bat dringend eine Mutter mit ihren zwei Kinder (9 und 13 Jahre) mit zurück nach Cottbus zu nehmen. Die Kontaktdaten hatten wir dann auch sofort erhalten und standen mit ihnen umgehend in Abstimmung. Alle drei befanden sich bereits seit 24 Stunden auf der ukrainischen Seite und warteten darauf bei eisiger Kälte und nasskaltem Wetter nach Polen zu kommen.

 

Nachdem wir um 1:30 Uhr alles verladen hatten, ging es zurück nach Korczowa. Hier sollten noch ein paar, in den Busen verbliebene Hilfsgüter in ein anderes Lager verbracht werden. Dort kamen wir gegen 3 Uhr an und konnten die wenigen verbliebenen Güter abgeben. Auf Nachfrage erfuhren wir, dass die Mutter mit den Kindern nun im Auffanglager angekommen waren und sie baten uns, sie schnell abzuholen. Wir setzten uns umgehend in Richtung Flüchtlingsauffanglager in Bewegung. Vom vergangenen Dienstag wussten wir um die dramatische Situation vor Ort. Als wir dort ankamen, überfiel uns jedoch Fassungslosigkeit. Die Situation dort vor Ort hatte sich drastisch verschlimmert. Mütter mit ihren Kindern mussten in der Kälte an Feuertonnen ausharren und warteten auf Transporte zum Bahnhof oder auf Helfer in Richtung Polen und Deutschland.

 

Alte und Kranke wurden nun auch im ansässigen und eilig leergeräumten Baumarkt vorübergehend untergebracht. Polnische Polizei, Feuerwehr und Militär versuchten Ordnung ins Chaos zu bringen. Verängstigte und von den Strapazen gezeichnete Mütter und Kinder suchten nach Mitfahrgelegenheiten. 

 

Nach längerem Suchen fanden wir auch die Mutter mit ihren beiden Kindern und konnten gegen 3:45 Uhr die Heimreise nach Cottbus antreten. Völlig erschöpft, fanden sie in unserem Transporter das erste Mal Ruhe und Sicherheit und waren dankbar ins sichere Deutschland mitgenommen zu werden. Während der Fahrt musste der neunjährige Junge immer wieder weinen. 

 

Abschließend bleibt zu sagen, dass ich trotz der persönlichen emotionalen Eindrücke, sehr stolz bin, dass unser Verband, der eigentlich den Auftrag hat den Fußballspielbetrieb in Brandenburg zu organisieren, selbstlos bereit war diese gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Ich persönlich konnte feststellen, dass der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, wenn es darauf ankommt, riesig ist und der Fußball mehr kann, als am Wochenende Punkte im heimischen Stadion zu holen.

 

Bild zur Meldung: Erfahrungsbericht eines Hilfstransports zur ukrainischen Grenze

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